Parallelwelten

01.09.2015

Der SK Intergration und die Willkommensklassen gemeinsam auf Exkursion

Ich blinzle träge gegen die Sonne an. Rechts von uns, auf dem Plattenweg, üben einige Schüler Skateboardfahren. Die restliche Gruppe spielt auf der Wiese gemeinsam Fußball. "Eigentlich müsste jeder Schultag so sein.", sagt Frau Poche. Frau Körting und ich nicken zustimmend.

Heute ist der gemeinsame Projekttag des Seminarkurses Integration und Partnerschaft und der drei neuen Willkommensklassen unserer Schule. Ursprünglich hatte der SK geplant, die Willkommensschüler ein bisschen in der Stadt herumzuführen, aber aufgrund der Größe der Gruppe (um die 50 Schüler) und der unterschiedlichen Interessen, hatte man beschlossen, sich doch erst einmal auf das wesentliche zu beschränken: Das gegenseitige Kennenlernen. Das Miteinander. Denn mal ehrlich – die W-Klassen leben für uns doch in einem Paralleluniversum. Klar, man weiß, dieses Jahr gibt es drei davon, irgendwo in Raum einhundert-was-weiß-ich haben die Unterricht und ab und zu sieht man vielleicht mal ein paar bekopftuchte Mädchen durch die Gänge schlendern aber das war's dann auch schon. Und dann wundert man sich, wenn man mal fragt, ob die Toilette da hinten besetzt ist und seine Antwort auf Englisch oder in Form eines ratlosen Blicks erhält.

Um also der Kommunikation zwischen den W-Schülern und dem Rest der Schülerwelt ein bisschen auf die Sprünge zu helfen, wurde vom Seminarkurs ein internationales Frühstücksbuffet organisiert, und man trifft sich gegen Ende der zweiten Stunde im Kunstraum zum gemeinsamen Brunchen und gegenseitigen Kennenlernen. Neben den Seminarkurslern und der Schülerzeitung sind auch die ehemalige Rathenau-Schülerin Alisha und ihr Freund Chris anwesend, um das Projekt zu unterstützen.

Nach der mehrsprachigen Begrüßung durch den Seminarkurs und einer kurzen Vorstellungsrunde wird das Buffet eröffnet. Hier und da entwickeln sich zwar schon kleine Dialoge zwischen W-Klässlern und Seminarkurslern, aber meist bleibt es noch bei routinierten Fragen und knappen Antworten. Ein richtiges Gespräch will sich nicht einstellen. Besonders verschüchtert wirkt die Koreanerin, die mir gegenüber zwischen zwei Seminarkurslern sitzt, gedankenverloren mit ihrer Handyhülle spielt und nach dem dritten "Und du bist ganz sicher, dass du nichts essen willst?", den Eindruck erweckt, als würde sie sich am liebsten unter ihrem Tisch verstecken.

Als wir schließlich die Kuchenreste und Sportutensilien zusammenpacken und uns gemeinsam auf den Weg zum Gleisdreieckpark machen, hat sich die Stimmung bereits ein bisschen gelockert und spätestens als alle zum gemeinsamen Fußballspielen auf der großen Wiese zusammenkommen, ist von Gruppenbildung nichts mehr zu sehen. Mädchen und Jungen, zwölf- und Achtzehnjährige von überall auf der Welt hechten gemeinsam über den Rasen und die anfängliche Beklemmung aus dem Kunstraum ist längst verschwunden.

Währenddessen übt Chris mit einer kleinen gemischten Jungsgruppe das Skateboardfahren auf dem Plattenweg. Nach und nach beginnt sich die Gruppe zu zerstreuen, einige ziehen in Richtung Skatepark und Sportplatz weiter und... "Wo ist eigentlich Chris?" - "Wer?" - "Na Chris. Der Freund von Alisha." - "Hä?" - "Der Typ im weißen T-Shirt, der vorhin mit euch Skateboard gefahren ist?" - "Ach, der. Uns hat er sich nur als Skate-God vorgestellt."

Zum Glück taucht unser göttlicher Begleiter bald wieder auf und bringt noch seinen Skaterfreund Paul mit. Und der ganze Kurs kommt in den Genuss, die unter deren Anleitung stattfindenden Skateboard-Kunststückchen der Draufgängerischeren unter den W-Klassen- und SK-Mitgliedern im Skatepark mitzuverfolgen.

Später, nachdem unsere Jungs von den erfahrenen Skatern und BMXern aus dem Skatepark verdrängt wurden, findet man sich zum Basketballspielen zusammen. Chris bringt allen das Körbewerfen bei, und sämtliche Seminarkursler und Willkommensschüler stellen sich tatsächlich brav in eine Schlange und warten, bis sie mit ihrer Privataudienz an der Reihe sind. Die übrigen Schüler hocken in gutmütiger Schweigsamkeit nebeneinander auf den Bänken, essen Kuchen, hängen an ihren Handys oder beobachten das Geschehen. Hin und wieder fährt hinter dem Sportplatz ein Zug vorbei. Ich blinzle träge in die noch ein letztes Mal zwischen den Wolken hervorkommende Sonne. "Eigentlich müsste jeder Schultag so sein." echot Frau Körting. Frau Poche und ich nicken zustimmend.

Vielen Dank an den SK Integration, an die Willkommensklassen und an Frau Körting und Frau Poche für diesen wunderschönen Tag, der uns allen noch lange in Erinnerung bleiben wird und der wieder einmal deutlich macht, wie einfach, wie selbstverständlich Integration sein kann, wenn man die (zwischenmenschlichen) Grenzen überwindet.

Text: Lisa Starogardzki, 3. Semester, September 2015

Fotos: Jan Hilgendorf, 3. Semester, September 2015