Besuch des Seminarkurses Deutsch in der Handschriftensammlung der Staatsbibliothek zu Berlin Unter den Linden

14.02.2024

Vor zwei Wochen traf sich der Seminarkurs, der sich mit Helden und Heldengeschichten der Gegenwart und des Mittelalters beschäftigt, in der Staatsbibliothek mit Dr. Geiß-Wunderlich. Er ist Germanist, Historiker und Wissenschaftlicher Bibliothekar mit dem Schwerpunkt Mittelalter und seit 2001 Mitarbeiter der Handschriftenabteilung. Nachdem wir uns am Brunnen im Hof des monumentalen Baus eingefunden hatten, gab uns der Wissenschaftler einen kurzen Überblick über die Geschichte der Bibliothek, die zu den bedeutendsten weltweit gehört, da sie aufgrund der besonderen Qualität ihrer Sammlungen ein Zentrum der nationalen und internationalen Literaturversorgung ist: Zu ihrem enorm umfangreichen Bestand gehören die größte hebräische Pergamentbibel sowie die größte Tora-Rolle, drei der neun vollständig erhaltenen Handschriften des Nibelungenliedes und eine Gutenberg-Bibel von 1454/55.

Uns interessierte insbesondere der mittelalterliche Roman des Ritterhelden "Parzival" von Wolfram von Eschenbach aus der Zeit von 1200-1210. Auf dem Weg zum Handschriftensaal wurden wir durch endlose Gänge und Türen geführt, die auf uns alle wirkten, als wären wir in einer Nervenklinik gelandet oder in der Filmkulisse von "Stranger Things". Am Ziel angelangt, setzten wir uns in einem Raum mit zwei Ebenen, umgeben von Bücherregalen an einen überdimensionalen Tisch. Zur Einführung hörten wir von Dr. Geiß-Wunderlich den melodischen Vortrag eines Gedichts in mittelhochdeutscher Sprache, wobei wir uns fragten, warum wir Gedichte heute immer so trocken vortragen oder gar still lesen.

Nach dem Ende des gesungenen Vortrags wurden uns einige Fragmente des Nibelungenliedes und von "Parzival" gezeigt. Und die Pergamentseiten dieser Werke durfte nicht nur der Bibliothekar berühren – unvorstellbar, wie alt diese Seiten zwischen unseren Fingern waren, die vor so vielen hundert Jahren von Mönchen beschrieben worden waren. Die Stabi verwahrt mehrere Handschriften und Fragmente des "Parzival", der in der Zeit des Mittelalters eine Art Bestseller gewesen ist. Allerdings hörten wir nicht nur Mittelaltergedichte und betrachteten einige Schriften, sondern erfuhren auch einiges über die Herstellung von Büchern, die die Schriftrolle abgelöst hatten, den Übergang von Pergament zu Papier und die tatsächlich existierenden Bücherwürmer.

Nachdem die unerwartet spannende Vorstellung vorbei war und wir wieder durch die Psychiatriegänge hinausgeführt wurden, schauten wir noch im Hauptlesesaal vorbei und philosophierten, wie wir vielleicht in ein paar Jahren selbst dort sitzen würden. Und zwar trotz einer Akustik, die jedes Räuspern und Rascheln so verstärkte, dass man sich kaum bewegen mochte.

Wir danken Dr. Geiß-Wunderlich für die interessanten Einblicke und Carlotta, die diesen Besuch für uns organisiert hat.

Ulrich Kämmerlings (2. Semester)